Zu Ostern nichts Neues

Seit einigen Tagen wird die traute Harmonie in meinem Keller immer wieder auf´s Empfindlichste gestört. Nicht, dass unliebsamer Besuch proseccoschwenkend vor meiner Tür stünde und ich unter Vortäuschung akut aufgetretener Clusterkopfschmerzen mit schwacher Stimme „heute nicht, meine Liebe“ in die Joghurtbechergegensprechanlage hauche- nein, die Quelle des Ärgernisses befindet sich in direkter Nachbarschaft und kann somit nicht eliminiert werden.

Joana, unerschütterlich traditionsbehaftet, befindet sich im vorösterlichen Ausnahmezustand.

Ihr Vorgarten sieht aus, als hätten sich die Redakteurinnen von SCHÖNER WOHNEN und LANDLEBEN nach Konsumation etlicher Flaschen Lambrusco völlig enthemmt in den nächstbesten Deko-Laden begeben und wenig wählerisch alles eingepackt, was auch nur annähernd mit Frühling und Ostern in Verbindung gebracht werden kann.

Als ich nächtens aufgrund übermässigen Magendrucks, bedingt durch eine zu spät eingenommene Wachtelbrust auf Trüffelrisotto, meinen Keller verliess, um, so wie man Pferde bei einer Kolik ständig bewegen muss, einige Runden im mondlichtdurchfluteten Garten zu drehen, traute ich kaum meinen Augen.

Ein überdimensionaler Plastikosterhase, dessen rosarote Ohren mit LED-Lampen ausgestattet waren, leuchtete oberkörperwippend zu mir herüber. Es war so hell, dass  die Möhre, an der er zu knabbern schien, glänzend-orange den Nachthimmel durchbrach.

Auf seinem Rücken trug er einen Korb, aus dem einige Märzenbecher ragten und zu seinen Füssen tummelten sich Lämmer und Küken in gewollt ungezwungener Anordnung, die von einer Schäferin mit bestickter Biedermeierhaube und äusserst gütigem Gesichtsausdruck beaufsichtigt wurden.

Diese irreale Szene beeindruckte mich dermassen, dass ich sofort ins Haus lief und die „Pastorale“ von Beethoven auflegte. Irgenwann muss ich trotz meiner abdominalen Unzulänglichkeiten eingeschlafen sein.

Ich träumte wirres Zeug von einem weissen Kaninchen, das sprechen konnte und ständig auf die Uhr schaute.

„Steh endlich auf!“, rief es und ich schreckte hoch.

„Ich brauche deinen Rat. Ausserdem ist es bald Mittag!“

Das Kaninchen verschwand schnurstracks in seinem Bau. Stattdessen stand Joana an meinem Bett. Ihre Finger waren blau und grün gefärbt, auf der Wange zog sich ein roter Streifen bis zum Jochbein und ihre Augen sprühten.

„Überraschung! Ich bin heuer total kreativ, weil mich diese ewiggleichen Farben echt nerven.“

Ich setzte mich auf: „Worum geht´s denn eigentlich? Und weshalb siehst du aus, wie…wie du aussiehst?“

„Ich bin grad beim Eier färben. Schau mal“, sie langte in ihre Jackentasche und hielt mir ein eingedrücktes dunkelbraunes Ei vor die Nase. „Na, was sagst du? Das hab ich mit Kaffee gefärbt. Jetzt weiss ich nur nicht, was ich noch probieren soll. Was hältst du von MAUVE oder KHAKI?“

Ich betrachtete die Farbe des Eies, deren Urheberin, die mich erwartungsvoll ansah und eingedenk des nächtlichen Erlebnisses, das mich einer Erleichterung diverser Verdauungsbeschwerden beraubte, antwortete ich:“ Versuch´s mal mit SCHLOHWEISS. Oder EIERSCHALENFARBEN.“IMG_9407

Trüffelschwein

Die Joghurtbechergegensprechanlage scheppert. Ich liege auf meinem schmiedeeisernen Doppelbett und schau mir auf ARTE „Verhängnis“ mit Jeremy Irons und Juliette Binoche an. Die Szene ist vielversprechend, weil beide im Begriff sind,sehr enthemmt übereinander herzufallen. Ich persönlich finde ja wenig Geschmack an derlei Kontrollverlusten und beobachte das Geschehen, als würde ich auf der Strasse einem davonfahrenden Autobus hinterherschauen. Es regt mich nicht wirklich auf.

 

Die schwitzenden Körper sind in ihrer Ohnmacht beinahe ekelhaft, anatomisch gibt es allerdings nichts auszusetzen.

 

Ich erfreue mich also gerade am Muskelspiel des männlichen Oberkörpers, als Joana durchs Fenster schaut. Mit einem Seufzer öffne ich ihr die Tür.

„Ich hab dich seit dem Aschermittwoch nicht mehr gesehen!“ Ihr Gesicht ist eine einzige Anklage.

„Was ist mit dir? Liegst hier herum und ziehst dir….“-ihr Blick fällt auf das liebesspielende Paar  „halbpornografische Filme rein. Kein Wunder, dass du immer verschrobener wirst, du gehst ja kaum mehr unter die Leute!“

Mit einer Handbewegung wirft sie meinen Schlafrock zu Boden und setzt sich zu mir.

„Wann hast du dich denn das letzte Mal mit einem Mann getroffen? Du musst ja nicht gleich, du weisst schon…“

 

„Vögeln?“, sag ich.  Sie wird rot. Ich weiss, dass sie meine Direktheit schwer aushält, obwohl sie sich immer sehr offen und tolerant gibt.

„Nenn es, wie du willst. Auf alle Fälle kann das so nicht weiter gehen!“

 

Ihr Blick schaut rundum. Mein kleines, aber äussert bequemes Kellerrefugium hat alles, was ich brauche: einen wohlgefüllten Kühlschrank, der jedem Gourmetgeschäft zur Ehre gereichen würde, ein Weinregal mit dem Besten der Steirischen Klassik (für Stunden, in die ich gehörig in mich gehen will, 2-3 Flaschen Chateau Petrus), einen Computer und Schreibzeug.

Ich bin gern allein mit mir und brauche keinen Mann. Nicht einmal für gewisse Stunden, wie Joana das so schön zu umschreiben pflegt.

Mein letzter Akt hat mir einen Bandscheibenvorfall nebst beleidigter Halswirbelsäule eingebracht, weil es galt, das Kamasutra nachzustellen. Meine fast 50jährigen Knochen haben nicht mitgespielt und nach einer Stunde fand sich der per Love.at gefundene Kurzzeit-Galan draussen. Es war nichts Ernstes, allein, ich wollte es wieder einmal versuchen.

 

Er kam mit Rosen, wie einfallslos, und einer Flasche Billigsekt, den man genausogut aus Plastikbechern hätte trinken können. Es prickelte nicht. Kraft meiner Gedanken versuchte ich, meine Libido auf „Go“ zu stellen, schliesslich war sein äusseres Erscheinungsbild recht ansprechend. Es gelang mir, mich (nach drei heimlichen Abstechern in mein Chateau Petrus-Reservoir) zumindest meiner Oberbekleidung zu entledigen. Er wollte „reden“, aber bei seinen ersten Sätzen stand zu befürchten, dass soviel Rotwein gar nicht würde helfen können, deshalb warf ich mich aufs Bett und sagte gurrend, wobei ich mich bemühte, einen filmreifen Augenaufschlag hinzukriegen. „Du bist doch nicht zum Reden hier….“

Der Mann schaute sehr lüstern drein, irgendwie hatte ich plötzlich die Assoziation, einem nach Trüffeln schnüffelnden Wildschwein gegenüberzustehen und „Gut“, dachte ich, „bringen wir es hinter uns…“images

Eine Stunde später: siehe oben.

 

Das alles erkläre ich Joana. Mit grossen Augen hört sie mir zu, dann nimmt sie meine Hand, tätschelt sie zärtlich und sagt: „Wenn ich dir nur helfen könnte…“

„Das kannst du“.

Ich steh auf und hole mein Portemonnaie.

„Fahr zum Billa und hol mir Zitroneneis. Ich hab eine lange Nacht vor mir. Ich les heut noch Il Decamerone.“

 

 

 

 

 

Joana goes facebook

Geneigte Leser, meine Joghurtbechergegensprechanlage hat dem nächtlichen Herbstwind wieder einmal nicht Stand gehalten, der Bindfaden hing heute morgen traurig und ohne Spannung in den Rosen, sodass ich gezwungen war, meine kuschelige Höhle zu verlassen und meine Gestalt der unfreundlichen Oktoberwitterung preiszugeben.

Gerade, als ich den Schaden beheben und meine einzige Verbindung zur Aussenwelt wiederherstellen wollte, erschien Joanas brauner Schopf am Gartenzaun.

„Du mit deinen blöden Bechern!“, rief sie freundlich herüber, „wann schaffst du dir denn endlich ein Handy an, so wie jeder normale Mensch?“

„Auch dir einen guten Morgen!“, sagte ich , „ich bin eben Keine, die alles mitmachen muss, was die Gesellschaft vorgibt. Schau dich einmal an: du trägst einen sidecut, der dich aussehen lässt wie eine frisch Hirnoperierte, lässt dir chinesiche Schriftzeichen unter die Achseln tätowieren und ernährst dich nach der Steinzeit-Diät, nur weil die Frauen in deiner Zumbagruppe gesagt haben, damit bleibt man jung. Was sogar stimmen könnte: Der Altersdurchschnitt unserer paläolithischen Vorfahren betrug immerhin 35 Jahre. Übrigens: Heute schon ein Mammut erlegt?“

Joana liess sich sich von meinem Sermon nicht beeindrucken.

„Schau  mal, was ich mir gekauft hab! Ein Smartphone! Und bei Facebook bin ich jetzt auch! Wart, ich komm rüber!“

Seufzend liess ich meine Becher fallen und harrte des Dings, das mir gleich unter die Nase gehalten werden würde. Natürlich weiss ich, wie ein Handy aussieht und natürlich hab ich schon einmal die Begriffe „social media“, „instagram“ und „spotify“ vernommen, aber ich brauch das nicht. Mein Keller ist mein Bunker. Dort gibt es einen Radio und eine hervorragend gefüllte Speisekammer nebst Weinkeller. Meine Sozialkontakte beschränken sich aus freien Stücken auf ein Minimum. Das reicht.

Joana hatte es sich bereits an meinem Esstisch gemütlich gemacht.

„Ich zeig dir jetzt mein Profil. Das ist quasi wie eine kleine Homepage, auf der man alles reinstellen kann, was einem so einfällt. Heut zB hab ich gepostet, was ich gefrühstückt hab. Ist das nicht toll? Und schau, da hab ich bis jetzt 14 likes bekommen!“

Ihr Gesicht wurde rot und röter. „Gestern hatte ich 36 innerhalb von 20 Minuten, da hab ich mich mit meinem neuen Schianzug fotografiert. Stell dir vor, der Kollege, von dem ich dir erzählt hab“, sie lächelte verschämt, „der hat es auch geliked! Du, und manchmal entwickeln sich richtiggehend Diskussionen, wenn man was Gescheites zu sagen hat.“

Ich begutachtete ausgiebig die Freundschaftsliste meiner Nachbarin. „Ich wusste gar nicht, dass du soviele Menschen kennst“, bemerkte ich. Joana lachte: “ Ach, du Dummchen! Die kenn ich doch gar nicht. Das sind doch  nur Leute, die ich geadded hab. Das macht man so auf facebook, das machen alle so.“

„Aha. Das heisst, du kennst die meisten deiner Freunde gar nicht? Seltsam.“

Joana wurde auf einmal hibbelig. „Oh mein Gott“, rief sie , „Jürgen hat heute hohen Blutdruck. Das ist ja fürchterlich-ich muss ihn sofort anchatten!“

„Wer ist Jürgen?“, frug ich naiv, aber sie hatte mich bereits von meinem Platz verdrängt und schnappte sich ihr Telefon. Nach wenigen Minuten erhellte sich ihr Gesicht, sie atmete auf und sagte: „Jürgen? Der ist aus Gramatneusiedl. Ich kenn ihn nicht. Aber es geht ihm schon besser.“

Jetzt reichte es mir.

Unter dem Vorwand einer plötzlich hereinbrechenden Migräneattacke (du weisst schon: Raum verdunkeln, keine Geräusche) entschuldigte ich mich halbherzig, komplimentierte Joana zur Tür hinaus und fand schliesslich Zuflucht bei meinem Weinregal.

Zärtlich streichelte ich eine Flasche Rotwein und flüsterte: „ich werde dich jetzt adden, Alter Knabe!“

Nach Mittag

Geneigte Leser, liebe Freunde!

Ich sitze voller Vorfreude auf den schon in der Luft zu spürenden nahen Herbst in meinem Keller und erhole mich von einem äusserst ausgiebigen Mittagsmahl, dessen Menüfolge mir heute früh spontan eingefallen ist. Nach Durchsicht meiner sich im Speiskammerl befindlichen Vorräte beschloss ich nach dem morgendlichen Bade, mir heute eine Gurkenkaltschale, gefolgt von gebackenen Steinpilzen mit Sauce Tartare und eine abschliessende, ganz vorzüglich gelungene Creme brulee zu gönnen.
Weil ich im Moment dermassen vollgegessen bin, dass es mir unmöglich erscheint, mich in irgendeiner Weise zu bewegen, habe ich mich auf mein schmiedeeiserenes Doppelbett geworfen und blättere in meinem alten Fotoalbum.

Es existieren exakt 3 Bilder aus meiner Kindheit. Beim ersten war ich ein Säugling, den man mit grossen Augen, auf dem Bäuchlein und noch dazu auf einem Eisbärfellimitat im Studio des einzig ansässigen Fotografen in Strass liegend, ablichtete. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich mich gefühlt habe, aber dem Gesichtsausdruck nach zu schliessen, dürfte es nicht mein bester Tag gewesen sein. Ein zartglänzender Spuckefaden rinnt aus meinem rechten Mundwinkel, entweder wurde das damals für lieblich befunden oder nicht bemerkt.

Das zweite Foto zeigt mich mit 4 Jahren und Bubikopfhaarschnitt. Hier sieht man das erste Mal mein richiges Gesicht, der Haarschopf, nach links gekämmt, gibt unweigerlich die sehr markante Stirn preis, die mir in späteren Jahren oft Spott und Häme einbringen sollte.
Noch heute klingt mir das Gelächter meiner besonders verhassten Schulfreundin in den Ohren, die vor der gesamten versammelten Klasse rief: „Schauts euch einmal das Hirnkastl von der Rosa an. Die hat so eine Einbuchtung über der Nase, dass man einen Radiergummi reinlegen könnt!“

Jahrelang hat mich dieses Bild verfolgt, vor ersten Dates schnitt ich mir Fransen in die Stirn oder trug den ganzen Abend lang Sonnenbrille (verflixte Bindehautentzündung–ja leider,die ist ansteckend).brille Ich hatte sogar einmal eine kurze Affäre, die meine Stirn nie zu Gesicht bekam, weil ich unter dem Vorwand, sehr gschamig zu sein, darauf bestand, das Licht auszumachen. Immer.

Mittlerweile habe ich Frieden geschlossen mit der Anatomie meines Gesichtsschädels. Mit beinahe 50 gibt es dringendere Problemzonen. Dessenungeachtet verleiht mir mein singuläres Dasein eine gewisse Wurstigkeit, was Äusserlichkeiten betrifft.

Das dritte Bild zeigt mit mich Rudi, dem Nachbarsburschen, im Weingarten. Rudi war blond und 14. Das reichte, um mich unsterblich in ihn zu verlieben. Ich erinnere mich, dass ich täglich mit dem Fernglas auf dem Hügel gegenüber Ausschau nach ihm hielt. Er trug stets ein weisses T-Shirt und hatte ein Leuchten in den blauen Augen, das mir überirdisch schön erschien. Als er mich zu meiner ersten heimlichen Zigarette überredete, war ich der glücklichste Teenager in ganz Spielfeld. Wir sassen in der Hundehütte und hatten eine Decke vorgehängt, sodass niemand uns sehen konnte. Nach 10 Minuten war die Rauchentwicklung so stark, dass auch wir uns nicht mehr sahen. Ich hustete und heiss rann es aus meinen Augen.

Er tastete unbeholfen nach meiner Hand, während ich nach Luft rang und damit kämpfte, nicht zu kotzen.
Glücklicherweise öffnete sich plötzlich der Deckenvorhang und das Gesicht meines Vaters erschien in der Hundehüttentür.

Ich hab Rudi dann nur noch 2 oder 3 mal gesehen. Und nur durchs Fernglas.

wie Rosa den Sommer sieht

Der diesjährige Sommer ist ganz nach meinem Geschmack. Die 30° Grenze wurde bis jetzt erst einige vernachlässigbare Male überschritten, was bedeuted, dass ich mich nicht die ganze Zeit in meinem Keller verkriechen muss, sondern ab und zu meine bescheidenen Mahlzeiten unterm Rosenbogen oder ganz im Stile der britischen Ladies auf einer rotweissgemusterten Picknickdecke einnehmen kann.
Der geneigte Leser, der meine Hitzephobie inzwischen beinahe selbst zu seinem Credo erkoren hat (ja wirklich- erst kürzlich bekam ich den überaus geistreichen Brief eines Mittfünfzigers, der mir auf den Kopf zusagte, eine Seelenverwandte zu sein…blablabla….) wird mir nickend beipflichten, wenn ich sage, dass Regen etwas Gutes ist und ein bewölkter Himmel dazu angetan, mir ein seliges Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Nichts ist schöner, als dem Rauschen des Wassers zu lauschen, wenn der Himmel seine Pforten geöffnet hat und man selber, behütet vom vorspringenden Dach, in Gedanken vielleicht gerade in den Armen eines blondgelockten Jünglings, dem süssen Nichtstun frönen kann.

Genau dieses Szenario erlebte ich am letzten Sonntag. Ich hatte gerade mein Mahl beendet, das diesmal etwas opulenter ausgefallen war, weil mir der Cousin meiner Nachbarin ein Viertel eines Turopoljeschweins vermacht hatte, die er aufgrund seiner bevorstehenden Scheidung und des damit einhergehenden Appetitverlustes keinesfalls alleine vertilgen konnte. Hilfsbereit, wie es meiner Natur entspricht, erbot ich mich natürlich, ihm diese Last abzunehmen und gerade, als ich das letzte Medaillon (ROSA gebraten) verzehrte, zogen dunkelgraue Wolken auf, die sich über meinem Garten in einem bombastischen Wokenbruch entluden.
Rasch legte ich Schwein und Besteck zur Seite, eilte hinaus und liess mich minutenlang beregnen.
Erst als mir die Haare in nassen Strähnen auf dem Kopf klebten und mir das Wasser über Hals und Rücken rann, liess ich von diesem kindlichen Vergnügen ab, um mich restlos glücklich dem folgenden Gewitter hinzugeben. Da war ich dann allerdings schon wieder drinnen, weil vor Blitzen hab ich, gelinde gesagt, Respekt.

Als ich gerade dabei war, mich abzutrocknen, kam Joana raschen Schrittes den gepflasterten Gartenweg entlang geeilt.
„Spinnst du jetzt komplett?“, lautete ihre wenig freundliche Begrüssung.
„Ich hab gesehen, dass du im Gewitter draussen stehst. Weisst du nicht, dass dich ein Blitz hätte treffen können? Wie bist du eigentlich drauf in letzter Zeit?“

„Ich grüsse dich auch ganz herzlich“, sagte ich und bot ihr einen Stuhl an. Sie ging jedoch nervös im Raum auf und ab, schüttelte in immer kürzer werdenden Intervallen den Kopf und hatte eine Miene aufgesetzt, die Bände sprach.
„Ich weiss schon, dass du ein bisschen verrückt bist, aber musst du es wrklich auf die Spitze treiben? Du wirst echt immer seltsamer! Die Leute im Dorf reden schon über dich-den ganzen Sommer in diesem dämlichen Keller, kaum Sozialkontakte und dann noch deine nicht nachvollziehbaren Spinnereien. Kein Wunder, dass dich niemand mehr ernst nimmt. Ich selber weiss schon nicht mehr, wer du eigentlich bist. Bitte, Rosa, werd endlcih normal!“

Mit diesen Worten und einem abschliessenden, bösen Kopfschütteln verliess sie mich. Ich sah ihr nach, als sie auf dem nassen Boden ausrutschte, zornig ihr Gesicht verzog und irgendwas zu fluchen schien, das ich aufgrund des wieder einsetzenden Regens lippenleserisch nicht entziffern konnte.

Entspannt legte ich mich in mein schmiedeeisernes Bett, hörte mir zum xten mal „famous blue raincoat“ von Cohen an und erfreute mich an den letzten Resten meines Turopoljeschweins.
Dann öffnete ich ein Fläschchen Poysdorfer Saurüssel.

„Die Leute im Dorf reden schon über dich!“
Mein Tag war gerettet.

Whistleblowing

frühGestern vormittag, ich lag gerade satt und träge auf meiner Chaiselongue, schepperte meine Joghurtbechergegensprechanlage. Unwillig stand ich auf, sprach: „wer stört?“ in den Becher, wobei ich mich bemühte, genervtes Timbre in meine Stimme zu legen, was aber nichts half.
„Ich bins, Joana-mach auf! Könntest du bitte?….“
Das durfte nicht wahr sein. Ich hatte mir soeben den Bauch mit einem typisch englischen Breakfast vollgeschlagen und mir auf meinem Teller einen Rest Black Pudding für späteres Naschen zurechtgelegt. Ausserdem war ich im Begriff, mir die gesamten 12 Folgen von FAWLTY TOWERS reinzuziehen. Joana konnte ich da am allerwenigsten brauchen. Sie hat es nicht so mit dem britischen Humor.

Kurzerhand zerriss ich den Faden, der die beiden Becher verband, abes Joana liess sich nicht abwimmeln und klopfte erbost an die Tür.
„Du brauchst gar nicht so zu tun, als hätten wir ein Verbindungsproblem. Mach gefälligst auf!“
Ich öffnete. Sie stand blass und zerzaust im Garten.
„QUE?“, blaffte ich sie eingedenk meines entgangenen Fernsehvergnügens an. Sie stürmte in meinen Keller, nicht ohne zuvor einen verächtlichen Blick auf die Überreste meines Frühstücks zu werfen. In der Abwasch befanden sich ein angebrannter Topf mit Porridge-Resten und eine schmiedeeiserne Spiegeleierpfanne.
„Was ist eigentlich mit dir?“ rief sie wenig emphatisch, „immer, wenn ich dich brauche, schläfst du oder frühstückst in Gedanken an deinen irischen Liebhaber. Das muss ja auch einmal aufhören! Ich mein es ja nur gut mit dir!“

Es widerstrebt mir zutiefst, aber Joana hat recht. Ich esse eigentlich in der Früh am liebsten Sterz mit Milch. Das entspricht meiner steirischen Natur, geht aber mit den Gedanken an meinen Ex-Iren so gar nicht konform- ich denke sogar an ihn, während ich esse und das höchste der mir verbliebenen Gefühle ist immer noch jener Morgen an den Cliffs von Moher, als wir beide, befriedigt von einer ziemlich turbulenten Nacht, ein Breakfastwettessen veranstalteten, in dessen Verlauf ich drei Eier, einen halben Toastbrotwecken und unzählige Black-, White-und was weiss-ich-noch-alles-an Puddings verzehrte, nur um in den Genuss des vorher ausgemachten Wetteinsatzes (Quickie an den Klippen bei Tageslicht!) zu kommen.
„Und-hast du gewonnen?“, frug mich Joana hinterhältig.
„Ach“, sagte ich leichthin, „ich weiss nicht mehr.Das ist ja alles schon so lange her.“

Sehr wohl erinnere ich mich an stürmische Klippen, peitschende Gischt und die zauberhafte Seelöwenkolonie am Strand von Inishmor, nie im Leben jedoch werde ich mich vor Joana entblössen und zugeben, dass ich nach dem 4ten Frühstücksei und der 5ten Wurstscheibe W.O. gegeben habe und aufgrunddessen spätnachts in einem Pub dilettantisch auf der irischen Flöte „Whiskey in the jar“ zum Besten geben musste.
Dass Collin mich mit glänzenden Augen beobachtete und bei jedem Takt grinsend in die Hände klatschte, erschien mir wie ein Hohn. Trotzdem ging ich äusserst tapfer durch diese Stunde, und du, geneigter Leser, wirst jetzt wohl ungläubig den Kopf schütteln, wenn ich dir sage, dass es mir gefallen hat, mit den Einheimischen Zeit und Raum zu vergessen, zu tanzen und zu trinken.Irgendwann war ich Eine von ihnen.

„Rosa?“
Joana unterbrach meine Erinnerungen.
„bist du schon wieder in Irland?–was war denn da noch mit der Wette?“

„Ach nichts. Ich hab gewonnen.Auf jeden Fall.“

Roederer Brut

Ich habe gerade eine Flasche Roederer brut Premium geöffnet, die ich von einem Verehrer aus der Schweiz geschenkt bekommen habe. Nun sitze ich da und trinke, kann mir aber beim besten Willen nicht erklären, was an diesem Getränk-um nicht zu sagen, Gesöff, den Preis von 60 Euro rechtfertigt. Wenn ich mir einen Prosecco vom Billigdiscounter hole, ist das Magenweh das Selbe, es prickelt und lässt mich sauer aufstossen-keine Spur von feinen Röstaromen, dezenter Kräuterwürze, zitronigem Touch oder feinen Dörrobstnoten im Abgang. Ich bin offensichtlich kein Weinkenner. Ich möchte betrunken werden und keinen Wettbewerb in olfaktorischen Disziplinen bestreiten. Ich trinke Wein, weil er mir schmeckt, nicht, weil er soundsoviel gekostet hat. Ein Morillon aus der Südsteiermark zum Beispiel schmeichelt meinem Gaumen, weil ich die Landschaft liebe. Ich kann mit jedem Schluck ein Stück meines Lebens trinken. Das gefällt mir und ich sehe Rebzeilen, sattes Grün und Sonnenaufgänge im nebligen Dunst. Von französischen Champagnern wird mir schlecht.

Soviel dazu.

Sehr lange habe ich versucht, all die Dinge zu erschmecken, die professionelle Weinliebhaber zu erkennen glauben. Noch nie habe ich Cassis, Orangenzesten oder Lavendel in einem südsteirischen Wein gerochen, noch nie Zitronen, Zimt oder Patschouli. Das geht auch gar nicht, weil alle diese Dinge in Spielfeld nicht wachsen. Wenn man mir von einer Apfelblüte erzählen würde oder von einer Kirsche, hätte ich begeistert zugestimmt, einen weiteren Schluck genommen und freudestrahlend „ja, das schmecke ich“ gesagt. Da war nie der Fall.Mein Wein schmeckt nach alten Streuobstwiesen, nach kopftuchtragenden Frauen und slowenischen Arbeitern, die sich ein Tuch vor die Stirn binden,damit ihnen der Schweiss nicht ins Gesicht läuft. Er schmeckt nach meiner Kindheit und den langen Nächten im Presshaus, nach dem holzigen Geruch dort und dem Wind, der zwischen den Balken durchzog und um die Ecken pfiff. Der Wein, den ich trinke, schmeckt nach dem Lachen meiner Eltern.

Aber egal: Roederer Brut tut seine Wirkung. Mittlerweile bin ich in einem teuren Rausch, der auch nicht besser ist, als all die anderen. Joana hat mir eine Nachricht gesendet, sie verzeiht mir vielleicht noch einmal.
„Aber nur, wenn du endlich ein besserer Mensch wirst!“
Ich leere die Flasche. Joana ist morgen.schampus

Torschlusspanik

Verehrte Leser, liebe Freunde!

Ich war heute beim Zahnarzt und blätterte im Wartesaal in einem Haufen sogenannter Frauenzeitschriften.
Man kann sich gar  nicht vorstellen, wieviel Quatsch in diesen Magazinen verbreitet wird, und meistens schau ich mir auch nur die photogeshoppten Bilder diverser Celebrities an, will heissen Filmsternchen, die statt des Iffland-Ringes Klunker an den Fingern haben, die von einem Kaugummiautomaten stammen könnten.
Heute allerdings bin ich über einen Artikel gestolpert, der mich gehörig ins Nachdenken brachte.

Wie ihr wisst, fehlen mir noch 3 Lebensjahre, bis ich die magische Grenze zum Altwerden überschreite. In unserer Gesellschaft geht das sehr schnell, denn offenbar darf man sich mit 49 noch zu den erfolgreichen, selbstbewussten 40ern zählen, die wissen, was sie wollen und dieses auch artikulieren zu vermögen, wohingegen man bereits 12 Monate später zu jener sagenhaften 50plus-Generation gehört, die mit 30%igem Preisnachlass langweilige Busreisen und der PSYCHE guttuende Heublumenmassagen in der Seniorensuite über sich ergehen lassen darf.

Der Artikel, der mich in Aufruhr versetzte, trug den Titel:
„10 Dinge, die man mit 50 erreicht haben sollte“ und war eine Aufzählung mehr oder weniger bescheuerter Lebensereignisse, von dene exakt EINES auf mich zutraf, nämlich: MIT 50 SOLLTEN SIE IMSTANDE SEIN, EINE FAMILIENPACKUNG SCHOKOEIS OHNE REUE ZU VERSPEISEN!

Die anderen 9 Punkte habe ich leider nicht geschafft, zB, einen Marathon laufen, in einem Restaurant ein Gericht zurückschicken oder mit dem Ex einen Kaffee trinken und dabei auf Augenhöhe und ohne Ressentiments über das Schmelzen der Polarkappen, die Überproduktion burgenländischer Salatköpfe oder die VERGANGENHEIT(!) zu kommunizieren.
Den krönenden Abschluss dieses pulitzerpreisverdächtigen Essays bildete der Satz: MIT 50 SOLLTEN SIE WISSEN, DASS FÜR SIE NICHT MEHR ALLES MÖGLICH IST!
Ja, vielen Dank auch!

Ich habe gottseidank noch 3 Jahre Zeit, mir einen Personaltrainer zu suchen, der am besten zugleich mein 10 Jahre jüngerer Lover ist, damit ich weiss, wie es sich anfühlt, von einem Mann verehrt zu werden, der auf meine Lebenserfahrung und Reife aufblickt, grosszügig meinen Schwabbelbauch und die beim Salzen des Frühstückseies flatternde Haut an meinen Oberarmen übersieht, und möglicherweise auch noch einen Tangokurs mit mir besucht, bei dem ich mich trotz meines kaputten Lendenwirbels heldenhaft verrenke, um die Erotik des Augenblicks auch so richtig gut rüberzubringen.Tango
Das mit den Kindern, denen man einen glücklichen Start ins Leben ermöglichen sollte, wird sich zwar nicht mehr ausgehen, aber vielleicht schaffe ich es, einen Sabbatical in Anspruch zu nehmen, der es mir ermöglicht, auf La Gomera mit Althippies Wasserpfeifen zu rauchen und im silbernen Mondlicht über feurige Kohlen zu laufen.

Auf jeden Fall muss ich jetzt schliessen. Das Leben wartet und duldet keinen Aufschub.Denn, wie hiess es so treffend im Schlussatz:

IHRE ZEIT LÄUFT!

April, April

Barry hat es auf der Riegersburg so gut gefallen, dass er sich ein Zimmer im Ort nahm und mich bat, ohne ihn zurückzufahren. Er werde die oststeirischen Hügel erkunden und sich in den nächsten Tage wieder melden, meinte er. Ich versorgte ihn mit einem steirischen Wörterbuch, bat ihn, auf sich achtzugeben und fuhr gutgelaunt gen Heimat. In meinem Kopf spielten sich bereits spektakuläre Szenarien ab. Joana´s eigenartiges Verhalten am Frühstückstisch durfte nicht ohne Folgen bleiben.
Ich fuhr von der Autobahn ab und kaufte in einem „Nahundfrisch“ eine Flasche Ketchup, Zwiebeln und eine Packung Heftpflaster. Die nette Verkäuferin hinter der Fleischtheke hatte mir ausserdem ein Stück frischgebratene Stelze aufgeschwatzt, das ich unter der Bedingung, mir den Knochen (für den Hund!) zu überlassen, käuflich erstand und an Ort und Stelle mit frischgeriebenem Kren und knuprigem Schwarzbrot verzehrte. Ich ging also mit Knochen, Ketchup und Verbandsmaterial zurück zum Auto und brütete Diabolisches aus. Die Fahrt nach Graz wurde untermalt von vorbeiziehenden gelben Forsythiensträuchern, duftig-weissblühenden Obstbäumen und dem blauen Himmel, der sich über mir ausbreitete und einen guten Tag verhiess. Ich kurbelte das Autofenster herunter, atmete den Frühling ein und erfreute mich an „Ha Ha, said the clown“.

Plötzlich klingelte mein Telefon. Es war Joana. Ich liess es 8mal klingeln, dann hob ich ab und meldete mich einem schwachen:“Jaa, hallo…ich..ich..kann grad nicht…“
„Um Gottes Willen, Rosa! Wo seid ihr denn? Was ist denn los mit euch? Rosa??“
„Joana? Bist du das? Ich..ich komm gleich….bitte, hilf mir…ich….“

Dann legte ich auf, parkte mein Auto an einer Waldlichtung und stieg aus. Im Handschuhfach hatte ich ein Döschen dunkelblauen Lidschattens gefunden, mit dem ich mir ein prächtiges Hämatom auf´s Jochbein malte. Ich zertrat eine Zwiebel, hielt sie mir unter die Nase, bis ich merkte, dass meine Augen zuschwollen und verstrich Ketchup auf Hals und Händen. Ausserdem klebte ich ein Pflaster auf mein linkes Handgelenk. Dergestalt zugerichtet fuhr ich nach Hause.
Joana wartete bereits in der Auffahrt.

Sie riss die Autotür auf, warf einen Blick in den Wagen und überschlug sich mit folgenden Sätzen:
„Wo ist Barry? Wie schaust du denn aus? Was ist passiert? Meine Güte, bitte, Rosa! Rede mit mir!“
Ich stieg aus, mene Knie gaben nach und ich schwankte. Joana griff nach meinem Arm und rief:“ Du blutest ja! Ich ruf sofort die Polizei!“
„Nein. bitte.“
Schwach erhob ich meine Hand.
„Kannst du mich hinein bringen? Ich hab Schmerzen…überall.“ Ich griff mir theatralisch an die Stirn, stöhnte ein bisschen und murmelte.“ Barry! Ich konnte ihn nicht beschützen-sie waren zu viert und ….einer hatte ein aufblasbares Krokodil bei sich…Barry begann zu schreien, und dann haben sie uns..haben sie uns…ich kann nicht mehr!“

Joana war sehr blass. Sie betrachtete entsetzt meinen blutigen Hals, umarmte mich und hielt mich fest. Mein Kopf war an ihrer Schulter. Plötzlich hörte ich sie atmen. Schnell atmen. Sie schnüffelte.
„Sag einmal-„, begann sie, dann richtete sie sich auf, stiess mich weg und sah mich ungläubig an.
Sie fuhr mit dem Finger meinen Hals entlang, roch daran und steckte ihn in ihren Mund. „Ketchup? Rosa, du bist echt das Letzte!“

Verflixt, ich hatte den Knochen vergessen.

Unbeholfen zog ihn aus meiner Jackentasche.

„Was willst du mit dem Knochen, sprich!“, entgegnete mir finster der Wüterich. Sie stand da und ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
„Diesmal bist du zu weit gegangen. Ich weiss nicht, wie oft ich das schon gesagt habe, aber jetzt ist es genug. Ich will nur Eines wissen: Wo ist mein Cousin?“
„Dem geht´s gut!“
Joana drehte sich um und schickte sich an, meinen Keller zu verlassen.
„Aber heute ist doch der 1. April! Joana, verstehst du keinen Spass?“
Sie drehte sich ein letztes Mal zu mir und lächelte abgründig.
„Spass? Ach ja!“
Sie ging.
Bevor mir klar wurde, was gerade passiert war, klopfte es an meine Tür.
Draussen stand Joana.
„Hallo, Rosa! Hattet ihr es schön auf der Riegersburg?“

Frühstück bei mir

Am nächsten Morgen war alles kompliziert. Ich schämte mich, weil Barry dachte, ich sei eine mämmermordende Somnabule, brachte es andererseits nicht übers Herz, ihn darauf hinzuweisen, dass er in meinem Bett mit seiner Vergangenheit gekämpft hatte und ausserdem ein offensichtlichtliches Mutter-Problem mit sich herumschleppte.
Joana hatte sich gnädigerweise dazu herabgelassen, unserem Frühstück beizuwohnen. Sie erschien mit grauem Gesicht und ebensolchen Augenringen, würdigte mich keines Blickes und setzte sich mit einem Korb voller“Surprises“ zu Barry. Ein ekelhafter Geruch machte sich im Zimmer breit, als sie das Spitzendeckchen lüpfte, es roch nach Fritteuse und McDonalds.

Sie war frühmorgens aufgestanden und hatte Ham- und Cheeseburger eingekauft.

„Spinnst du?“, rief ich, „du willst ihm wohl nicht wirklich den gleichen Frass wie zu Hause vorsetzen? Weg damit“, ich schob den Korb beiseite, schnappte mir den erbärmlichen Inhalt und brachte ihn hinaus, um ihn in den Biomüllkübel zu werfen. Eine matschige Gurkenscheibe blieb zwischen meinen Fingern hängen. Ich betrachtete das grüne Ding, das sich widerstandslos an meinen Zeigefinger schmiegte und so gar nicht bereit war, sich der Verwesung hinzugeben. Ihr dunkelgrüner Rand schloss akkurat mit meiner Fingerkuppe ab, ein paar Kerne turnten halbtot auf meinem Handgelenk herum und mir fiel wieder ein, dass es höchste Zeit war, eine Kamera zu kaufen.“So ein blasses, aber dennoch energiegeladenes Grün sieht man auch nicht jeden Tag“, dachte ich bei mir, hob zärtlich das Gürkchen hoch und liess es in den Abfall plumpsen.

„Kommst du endlich?“, hörte ich Joana rufen. Ich verabschiedete mich schweren Herzens von Cucumis sativus-es war auf einen auseinanderklaffenden Burger gefallen und hatte letzten Ende seine Bestimmung gefunden. „Was zusammen gehört, soll der Mensch nicht trennen“, dachte ich zufrieden und ging ins Haus.

Joana stand am Herd.
„Und?“, blaffte sie, „was ist deiner Meinung nach ein adäquates Frühstück?“
Dabei sah sie mich sehr böse an. Ihre Brauen sprangen beinahe über den Haaransatz hinaus und ich bin mir sicher, dass nur ihre Stirnfalten uns daran hinderten, einer anatomischen Meisterleistung beizuwohnen.
„Ich stelle mir gerade vor, dass deine Augenbrauen hinten am Hals wieder hinunterrutschen….“, sagte ich belustigt-Barry lachte. Ohne Zweifel trafen sich unsere Amplituden auf der gleichen Wellenlänge.
„Sehr lustig!“ Joana verzog das Gesicht, setzte sich beleidigt an den Tisch und wartete.
„Na gut!“, sagte ich, „jetzt gibts erst einmal ein ordentliches Frühstück.“
Ich tischte auf, was meine Vorratskammer zu bieten hatte. Barry war sehr dankbar, und auch Joanas Gesichtszüge glätteten sich mit der Zeit, sie liebte getrüffelte Mayonnaise, die ich zum Abschluss als Atout aus dem Ärmel zog, um sie zu beschwichtigen.

„Bei dir ist es doch immer am schönsten“, rief sie mit halbvollem Mund.
„Rosa, was steht denn heute auf dem Programm?“
„Ich hab mir gedacht, wir zeigen Barry die Riegersburg-da gibts gerade eine Hexenausstellung“,sagte ich leichthin, wobei ich Joana genau beobachtete.
Meine Rechnung ging auf. Joana erbleichte in Sekundenschnelle, liess das Trüffelmayonnaisebrötchen fallen und setzte sich kerzengerade hin.
„Ach“, sagte sie, „ich hab ganz vergessen, das ich heute zum Frauenarzt muss, nichts Schlimmes, aber …da müsst ihr wohl ohne mich hinfahren!“

Sie ging, ohne sich zu verabschieden. Barry sah mich fragend an. Ich erklärte ihm ,dass er sich keine Sorgen machen müsse, trat zum Fenster und erhaschte einen letzten Blick auf Joana. Sie stand vor ihrem Haus und streichelte einen Knoblauchzopf, der an der Tür hing.

„Damn it“, hörte ich Barry auf einmal sagen.
„Was ist?“
„Die Milk ist sour!“

Joana

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