Seit einigen Tagen wird die traute Harmonie in meinem Keller immer wieder auf´s Empfindlichste gestört. Nicht, dass unliebsamer Besuch proseccoschwenkend vor meiner Tür stünde und ich unter Vortäuschung akut aufgetretener Clusterkopfschmerzen mit schwacher Stimme „heute nicht, meine Liebe“ in die Joghurtbechergegensprechanlage hauche- nein, die Quelle des Ärgernisses befindet sich in direkter Nachbarschaft und kann somit nicht eliminiert werden.
Joana, unerschütterlich traditionsbehaftet, befindet sich im vorösterlichen Ausnahmezustand.
Ihr Vorgarten sieht aus, als hätten sich die Redakteurinnen von SCHÖNER WOHNEN und LANDLEBEN nach Konsumation etlicher Flaschen Lambrusco völlig enthemmt in den nächstbesten Deko-Laden begeben und wenig wählerisch alles eingepackt, was auch nur annähernd mit Frühling und Ostern in Verbindung gebracht werden kann.
Als ich nächtens aufgrund übermässigen Magendrucks, bedingt durch eine zu spät eingenommene Wachtelbrust auf Trüffelrisotto, meinen Keller verliess, um, so wie man Pferde bei einer Kolik ständig bewegen muss, einige Runden im mondlichtdurchfluteten Garten zu drehen, traute ich kaum meinen Augen.
Ein überdimensionaler Plastikosterhase, dessen rosarote Ohren mit LED-Lampen ausgestattet waren, leuchtete oberkörperwippend zu mir herüber. Es war so hell, dass die Möhre, an der er zu knabbern schien, glänzend-orange den Nachthimmel durchbrach.
Auf seinem Rücken trug er einen Korb, aus dem einige Märzenbecher ragten und zu seinen Füssen tummelten sich Lämmer und Küken in gewollt ungezwungener Anordnung, die von einer Schäferin mit bestickter Biedermeierhaube und äusserst gütigem Gesichtsausdruck beaufsichtigt wurden.
Diese irreale Szene beeindruckte mich dermassen, dass ich sofort ins Haus lief und die „Pastorale“ von Beethoven auflegte. Irgenwann muss ich trotz meiner abdominalen Unzulänglichkeiten eingeschlafen sein.
Ich träumte wirres Zeug von einem weissen Kaninchen, das sprechen konnte und ständig auf die Uhr schaute.
„Steh endlich auf!“, rief es und ich schreckte hoch.
„Ich brauche deinen Rat. Ausserdem ist es bald Mittag!“
Das Kaninchen verschwand schnurstracks in seinem Bau. Stattdessen stand Joana an meinem Bett. Ihre Finger waren blau und grün gefärbt, auf der Wange zog sich ein roter Streifen bis zum Jochbein und ihre Augen sprühten.
„Überraschung! Ich bin heuer total kreativ, weil mich diese ewiggleichen Farben echt nerven.“
Ich setzte mich auf: „Worum geht´s denn eigentlich? Und weshalb siehst du aus, wie…wie du aussiehst?“
„Ich bin grad beim Eier färben. Schau mal“, sie langte in ihre Jackentasche und hielt mir ein eingedrücktes dunkelbraunes Ei vor die Nase. „Na, was sagst du? Das hab ich mit Kaffee gefärbt. Jetzt weiss ich nur nicht, was ich noch probieren soll. Was hältst du von MAUVE oder KHAKI?“
Ich betrachtete die Farbe des Eies, deren Urheberin, die mich erwartungsvoll ansah und eingedenk des nächtlichen Erlebnisses, das mich einer Erleichterung diverser Verdauungsbeschwerden beraubte, antwortete ich:“ Versuch´s mal mit SCHLOHWEISS. Oder EIERSCHALENFARBEN.“